,,Der Nächste bitte!“
„Guten Tag! Ich hätte gerne 30 dag Hühnerfleisch aus dem Labor und … 35 dag Kochfleisch, auch aus dem Labor.“
„Bitte sehr, gerne, hier das Hühnerfleisch aus dem Labor für Sie. Kochfleisch aus dem Labor haben wir noch nicht im Sortiment.‘‘
Diese Konversation aus einer Fleischerei kann bald Realität auf unserer Erde werden. Denn, das erste Hühnerfleisch aus dem Labor befindet sich schon auf dem Lebensmittelmarkt. Singapur hat als erstes Land auf der Welt das Vermarkten dieser Fleischart im Dezember 2020 offiziell zugelassen. Das amerikanische Unternehmen ,,Eat Just‘‘ wird Singapur demnächst mit dieser Art von Hühnerfleisch beliefern.
Wie entsteht Fleisch aus dem Labor?
Gleich wie konventionell produziertes Fleisch stammt das Fleisch, das im Labor produziert wird, von lebenden Tieren. Dabei werden die Tiere jedoch nur als Spender eines kleinen Muskelgewebestücks genützt. Diese Gewebeentnahme passiert unter Lokalnarkose und verhindert somit, dass das Tier leiden muss. Schon im nächsten Schritt befindet sich das entnommene tierische Gewebestück (Fleischstück) in einem speziellen Labor, wo es unter streng kontrollierten Bedingungen in größere Fleischstücke verwandelt wird. Genauer gesagt handelt es sich dabei um die Stammzellen aus dem Gewebestück, die sich kontrolliert vermehren und zu einem bestimmten Gewebe weiter entwickeln.
Wie vergleichbar sind Laborfleisch und “echtes” Fleisch?
Diese Technologie der Herstellung tierischer Gewebe im Labor wurde in der angewandten Medizinforschung entwickelt und findet neuerlich in der Lebensmitteltechnologie eine weitere Anwendung. Sowohl in der Medizin als auch hier sind die Forscher*innen mit mehreren Herausforderungen gleichzeitig konfrontiert:
Die erste Herausforderung ist auch mit freien Augen erkennbar: Dies ist die Form des gezüchteten Fleisches. Denn die Muskelzellen wachsen in den Laborflaschen als feine Schicht, mit einer Schichtdicke von wenigen hundert Mikrometer. Diese Zellkultur wird auch deswegen als 2D (zwei-dimensional) bezeichnet. Um Muskelzellwachstum mit einer Form und Dichte wie in dem lebenden Tierorganismus zu schaffen, entwickeln aktuell Forscher*innen in vielen Ländern der Welt unterschiedliche 3D (drei-dimensionale) Zellzüchtungsmethoden. Somit werden spezielle Bioreaktoren entwickelt, die Zellträger diverser Natur und Form beinhalten.
Eine weitere Herausforderung ist die Zusammensetzung des Mediums, in dem die Zellen in den Bioreaktoren wachsen. Das Wachstumsmedium in einem Bioreaktor für Fleischherstellung hat die gleiche Funktion, wie das Blut in einem lebenden Tier. Es soll alle Zellen mit den lebenswichtigen Molekülen (Aminosäuren, Zucker, Mineralien, Hormonen und sw.) versorgen und somit ihr Wachstum ermöglichen. An eine Optimierung der Zusammensetzung des Mediums für diverse Zelltypen wird weltweit intensiv gearbeitet. Dabei ist die Herstellung eines Mediums ohne fetales Rindserum oder FBS (fetal bovine serum) von größter Bedeutung, da dieses von Tieren gewonnen wird, was wiederum mit einem enormen Tierleid verbunden ist.
Als weitere Herausforderung gilt die natürliche Farbe, sowie teils damit verbundener Geruch und der Geschmack des Fleisches. Diese drei Eigenschaften stehen im engen Zusammenhang mit der Konzentration von zwei Hämoproteinen im Fleisch, nämlich dem Myoglobin (Mb) in den Muskelgeweben und dem Hämoglobin (Hb) im Blut. Die genannten Hämoproteine werden zur Zeit hauptsächlich aus Tieren gewonnen. Bevor das Kochfleisch aus dem Labor nun also im Sortiment beim Fleischer zu finden ist, arbeiten die Forscher*innen, darunter auch wir von acib, daran die Farbe, den Geruch und den Geschmack dieser Fleischart zu optimieren. Ganz konkret arbeiten acib-Forscher*innen daran, das tierische Myoglobin und das tierische Hämoglobin in einer Hefe herzustellen.