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Author: Martin Walpot (acib)

Im acib-Interview gibt Marko Mihovilovic, Dekan an der Fakultät für Technische Chemie an der Technischen Universität Wien, Einblick in die Zukunft der Life Sciences Fortbildungen und zeichnet den Weg nach, wie aus einer Idee mithilfe tragfähiger Synergien zwischen Forschung und Industrie ein innovatives Produkt entsteht. Laut Mihovilovic müssen Universitäten auch dem Aufrag nachkommen, Problemlösekapazitäten in Bereichen wie dem Klimawandel zu entwickeln, um nicht zuletzt dem angeschlagenen Image der Chemie einen grüneren Anstrich zu verleihen.

Die heimische Forschungslandschaft ist reich an Wissenschaftsfeldern: Die Grundlagenforschung an den Universitäten, angewandte Forschung durch K-Zentren als Forschungsleuchttürme, aber auch R&D und Forschungsprojekte, welche in industrielle Unternehmen eingebettet sind. Welche Synergien gibt es zwischen diesen Feldern und was braucht es, damit eine Idee aus dem universitären Grundlagenforschungsumfeld hinaus in die Industrie treten und zu einem Produkt oder Prozess werden kann?

Mihovilovic: Gerade an der Schnittstelle Grundlagenforschung und translationale Forschung haben wir in Österreich noch viele Entwicklungsmöglichkeiten. Insbesondere die von ihnen angesprochenen K-Zentren sind ¬– neben anderen Initiativen – wesentliche, gut institutionalisierte Eckpfeiler, um gute Ideen von den Universitäten aufzugreifen und in einen Reifegrad zu bringen, wo mit hoher Umsetzungswahrscheinlichkeit das Potenzial zur Verpartnerung mit der Industrie gegeben ist. Dort sehe ich die wirkliche Stärke. Und um als Dekan über die Rolle der Fakultät für Technische Chemie zu sprechen, ist es für uns immer wichtig, bei Projekten den Anwendungshorizont nicht aus den Augen zu verlieren. Unsere Herangehensweise ist einerseits curiosity driven. Andererseits wollen wir unseren ForscherInnen kommunizieren, dass – wenn sich eine Anwendungsperspektive einer Technologie auftut – diese auch ergriffen werden will.

Wie werden diese Projekte mit der Industrie umgesetzt?

Mihovilovic: Dafür gibt es unterschiedlichste Arten der Umsetzung: Bei kleineren, fokussierten Themenstellungen konnte die Fakultät mit der CD-Gesellschaft schöne Erfolge erzielen; die Variante der Umsetzung gemeinsam mit K-Zentren bietet insbesondere hinsichtlich interdisziplinärer Forschungsfragestellungen unter Einbindung einer Vielzahl an Industriepartnern viele Synergien und war sehr erfolgreich in den letzten Jahren. 

Inwieweit?
Mihovilovic: Die Partnerschaftlichkeit trat in den letzten Jahren noch stärker in den Vordergrund und K-Zentren sind noch aktiver an uns bzw. die ForscherInnen der Universitäten herangetreten. Dadurch wurde einerseits das Wechselspiel zwischen den Institutionen verbessert, andererseits aber auch der Gedanke aufgegriffen, Projekte bereits sehr früh aktiv zu begleiten, damit ein Know-how Verlust an der Schnittstelle zwischen Grundlagenforschung und translationaler Forschung nicht passiert. In der anwendungsorientierten Forschung gilt es absolut die Situation zu vermeiden, dass das Paket, das man schnürt und an die Industrie weitergibt, womöglich nicht ankommt und so das Projekt nicht erfolgreich wird oder es zu langsam in die Gänge kommt, um dann noch für den Verwertungspartner attraktiv zu bleiben in dieser kritischen ersten Umsetzungsphase. Genau da positionieren wir uns als TU Wien und speziell als Fakultät für Technische Chemie sehr intensiv und richten uns immer wieder neu aus.
Wie sehen sie ihre Rolle als Fakultät bzw. der TU Wien generell, Trends und Zukunftsthemen in den Life Sciences aufzugreifen, umzusetzen und eine breite Bevölkerung darüber zu informieren?
Mihovilovic: Ich sehe da die Rolle der Universitäten in Österreich hier schon als eine wichtige, um zu gesellschaftlich relevanten Fragestellungen Antworten zu liefern und uns diesen Fragestellungen anzunehmen – vor allem Themen, die uns auch zunehmend direkt betreffen, alleine der Klimawandel, wenn man sich die Häufigkeit der Hitzetage ansieht. Spartenuniversitäten und fokussierte Universitäten haben hier den Auftrag, diese Erwartungshaltung zu erfüllen, um Problemlösekapazitäten zu entfalten. Wir an der Technischen Chemie gehen schon seit einigen Jahren den Weg, das Image der Chemie in der Bevölkerung aktiv zu verbessern. Wir haben von mehreren Universitäten und auch unterschiedlichen Ministerien dafür Unterstützung bekommen – das Buzzword ist im Moment Grüne Chemie, Green Chemistry. Denn die Wahrnehmung in der Bevölkerung, was die Chemie betrifft, ist zu großen Teilen noch negativ geprägt. Nach dem Motto, die Chemie verursache Umweltprobleme. Aber in Zeiten wie diesen sehen wir zunehmend, dass die smarte Chemie, also die grüne Chemie, ein wesentlicher Problemlöser sein kann. Damit haben wir ein Tool in der Hand, diese Veränderungsphase, in der wir uns gerade befinden, so auszugestalten, dass wir uns, jeder für sich selber, nicht über Gebühr in unserem Lebensstil einschränken müssen und damit zivilisatorische Rückschritte machen müssen, sondern dass wir auf einer smarten Art und Weise den Fußabdruck für die nächste Generation bewältigbar und demnach möglichst niedrig halten.
Welche Akzente setzt die Chemie an der TU Wien, um für uns und zukünftige Generationen diesen Wandel zu beschleunigen?
Mihovilovic: Für die Themen Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft haben wir z.B. seit einiger Zeit ein internes Doktoratskolleg namens CO2Refinery, wo es um “Carbon to product” geht. Wir greifen das auf synergistische Weise auf, was Prozessmanagement, chemische- und thermische Nutzung aber auch andere Felder betrifft, wo wir speziell Know-how in der Verfahrenstechnik einbringen. Diese Bereiche sind ein wesentliches Asset, das wir hier an der TU Wien haben und gemeinsam mit Partnern abwickeln. Weiters sind wir die einzige Institution in Österreich, die sich verschiedene Pilotanlagen im Technikumsmaßstab leistet, die wir in den nächsten Jahren weiter modernisieren wollen, um diesen Brückenschlag zu schaffen – von Laborexperiment hin zu Pilotierung. Damit wollen wir zeigen, dass Konzepte fliegen, dass sie anwendbar sind und auch im industriellen Kontext die Erwartungshaltung des Industriepartners erfüllen.
Was braucht es ihrer Meinung nach neben Technologien und der Forschungslandschaft noch, damit nachhaltige Technologien ihren Siegeszug antreten können?

Mihovilovic: Nachhaltigkeit ist ein absoluter Megatrend im Moment, aber Digitalisierung ist ein weiterer Megatrend. Und die große Chance, die wir gerade in Österreich haben, wo wir in beiden Bereichen sehr gut aufgestellt und sehr stark sind, ist, diese Bereiche erfolgreich miteinander zu verschränken, um Synergien zu schaffen. Digital Twinning ist hier ein wesentlicher Aspekt. Und das sollte in den nächsten Jahren stärker forciert werden, da viele Konzepte nach wir vor sehr stark individualisiert und voneinander getrennt sind. Man redet auf der einen Seite über Digitalisierung und man redet auf der anderen Seite über Nachhaltigkeit, aber man muss auch beide Seiten zusammenbringen, um maximale Wirkung zu entfalten. Das fehlt mir im Moment noch, und da sehe ich große Chancen und viel mehr Potenzial in der Zusammenarbeit. Eine besondere Herausforderung in diesem Kontext ist es auch, dies in die Köpf der handelnden Personen zu bringen: wir brauchen entsprechende ExpertInnen mit Fachwissen, aber ebenso Führungskräfte, die in diesen neuen Dimensionen denken können und diese in ihre Planungen einfließen lassen.

Die TU Wien hat ein neues Masterprogramm ins Leben gerufen, PhD-Fortbildungsprogramme konzentrieren sich auf translaterale, interdisziplinäre Zusammenarbeit. Wie sehen diese Fortbildungen in den Life Sciences aus und wie reagiert die Lehre auf immer größere, globalere Herausforderungen, um Studierende „krisenfit“ zu machen?
Mihovilovic: Im zentraleuropäischen Raum, in der CEE-Region, haben wir die Möglichkeit, in diesem Feld zu einem Leuchtturm zu werden. Wir haben gute Einzelaktivitäten und Hidden Champions. Um diese miteinander zu verbinden, haben wir ein neues Masterprogramm auf dem Gebiet „Green Chemistry“ geschaffen, das ab Oktober als Kooperation zwischen Universität Wien, Technische Universität Wien und BOKU abgewickelt werden wird. Mit solchen Kooperationsprogrammen gehen wir bewusst nach außen und holen internationale ExpertInnen zu uns. Bisher konnten wir 80 Prozent unserer Studieninteressierten aus dem Ausland zu uns nach Wien holen. Das ist wichtig, um neues Wissen zu generieren, die besten Köpfe zu versammeln und etwas zu verändern. In weiterer Folge ist das wiederum befruchtend für eine heimische Industrielandschaft. Denn der Ausbildungssektor wird in Zukunft noch stärker in den Vordergrund rücken müssen und muss breiter aufgestellt sein. Anders gesagt: Hier soll nicht der heimische Schrebergarten bebaut werden, sondern das große Feld Europas, um Innovationen voranzutreiben und auch irgendwann deren Früchte zu ernten.
Foto: Technische Universität Wien